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1. Einleitung

Welche Rolle spielen Computermodelle für die emotionspsychologische Forschung? Diese Frage ist nicht neu, aber eine Reihe von Antworten sind es durchaus. Seit dem Literaturüberblick von Pfeifer (1988) hat es zwar nicht wesentlich mehr, aber dafür wesentlich tiefergehende Ansätze gegeben, welche eine umfassendere Beantwortung der Ausgangsfrage ermöglichen.

Pfeifer (1988) hat in seinem Aufsatz "Artificial Intelligence Models of Emotion" nicht nur versucht, einen umfassenden Überblick über die vorliegenden Modellierungsansätze zu geben, sondern die exisiterenden Modelle auch klassifiziert. Für ihn lassen sich die Ansätze in zwei Kategorien unterteilen:

a) Augmented Cognitive Models

Ansätze in dieser Kategorie rücken Emotionen nicht in den Mittelpunkt, sondern bestehen vorwiegend aus Modellen für kognitive Prozesse, in denen Emotionen eine "ergänzende" Rolle spielen. Typisch für solche Modelle ist, daß sie sich mit einer wohldefinierten Aufgabe befassen, bei der Emotionen als Zusatzfaktoren hinzukommen.

b) AI Models of Emotion

Ansätze in dieser Kategorie stellen die Modellierung von Emotionen in den Mittelpunkt. Typisch für solche Modelle ist die Grundannahme einer komplexen Umgebung, in der sich klare Aufgabenbeschreibungen nur schwer realisieren lassen.

In einer weiteren Arbeit hat Pfeifer (1994) seine Klassifikation abgewandelt. Jetzt unterscheidet er zwischen "Reasoners" und "psychologischen Modellen". Reasoners sind Modelle, die auf spezifischen Taxonomien von Emotionen beruhen und die Aufgabe haben, Emotionen zu klassifizieren. Psychologische Modelle sind Systeme, deren Ziel es ist, emotionale Prozesse per se zu modellieren.

Die folgende Arbeit ist in erster Linie an den von Pfeifer so genannten Reasoners interessiert, will aber auch Ansätze mit einschließen, die sich in keine der genannten Kategorien integrieren lassen. Sie geht deshalb von einer anderen Gliederung aus. Computermodelle von Emotionen werden nach zwei unterschiedlichen Zielsetzungen unterschieden:

a) Computer, die Emotionen "verstehen" und "ausdrücken" können;

b) Computer, die Emotionen "besitzen".

Für die emotionspsychologische Forschung besonders interessant ist dabei die zweite Gruppe, obwohl sie die meisten erkenntnistheoretischen Probleme aufwirft. Denn während die Modelle der ersten Kategorie lediglich in der praktischen Umsetzung mehr oder minder ausformulierter Emotionstheorien bestehen und damit eher eine technische Herausforderung darstellen, geht es bei der Entwicklung von Computern, die Emotionen besitzen, um die Initiierung eines evolutionären Vorgangs, der idealerweise zur eigenständigen Entstehung eines emotionalen Subsystems führt.

Diese Arbeit wird sich daher schwerpunktmäßig mit Ansätzen der zweiten Kategorie befassen und diese ausführlicher in ihrem historischen und theoretischen Kontext vorstellen. Technische Erläuterungen, die für das Verständnis der Implementation der Modelle notwendig sind, werden dabei so kurz wie möglich abgehandelt.

Nach einem einleitenden Überblick (Kapitel 2) wird zunächst auf die erkenntnistheoretische Dimension der Computermodellierung von Emotionen eingegangen (Kapitel 3). Sodann werden in einem kurzen Überblick die psychologischen Emotionstheorien vorgestellt, die als Grundlage für Computermodelle von Emotionen dienen (Kapitel 4). Anschließend folgt eine Darstellung der wichtigsten Modelle aus den ersten Kategorie (Kapitel 5). Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit Modellen der zweiten Kategorie. Dabei werden die Arbeiten von Simon (Kapitel 6) und Toda (Kapitel 7) detaillierter dargestellt sowie einige erste Implementationen von Todas Modell (Kapitel 8). Als großangelegte Implementation ist dem Modell von Sloman ebenso ein Kapitel gewidmet (Kapitel 9) wie dessen Weiterführung durch Wright (Kapitel 10). Der Ansatz von Toda hat 1998 zu einer Fülle von Ansätzen geführt, emotionale autonome Agenten zu konstruieren, von denen einige kurz vorgestellt werden (Kapitel 11). In einer abschließenden Beurteilung (Kapitel 12) wird untersucht, welche Bedeutung die in dieser Arbeit beschriebenen Modelle für die emotionspsychologische Forschung besitzen.

 

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